Frédéric Chopin
Werkbeschreibung von Marcus Bernard Hartmann
Deux Nocturnes op. 27
Impromptu Fis-Dur op. 36
Impromptu Ges-Dur op. 51
Aus «Hymnen an die Nacht» von Novalis: «… Abwärts wend' ich mich zu der heiligen, unaussprechlichen, geheimnisvollen Nacht. Fernab liegt die Welt – in eine tiefe Gruft versenkt – wüst und einsam ist ihre Stelle. In den Saiten der Brust weht tiefe Wehmut. In Tautropfen will ich hinuntersinken und mit der Asche mich vermischen. – Fernen der Erinnerung, Wünsche der Jugend, der Kindheit Träume, des ganzen langen Lebens kurze Freuden und vergebliche Hoffnungen kommen in grauen Kleidern, wie Abendnebel nach der Sonne Untergang …»
Novalis fühlt die Nacht als innerlich bewegten Zustand, als Übereinstimmung der inneren, mit der ihn umgebenden, äußeren Dunkelheit. Die Nacht wird hier zum geistigen Erlebnis tiefer, melancholischer Empfindungen, fern jeglicher Szenerie anakreontischer Schäferspiele im Mondeslicht.
Und so sind die Chopin'schen Nocturnes – wenn auch nicht alle – zu verstehen, allen voran das cis-moll Nocturne op. 27, in dem aus dem Ton melancholischer Monotonie sich musikalische Ausbrüche seelischer Unruhe ergießen. Wie sehr Frédéric Chopin diese nächtliche Unruhe gefühlt haben muss, lassen dreifache Fortissimos im Mittelteil dieses Nocturnes erahnen, wenn man hierzu bedenkt, wie selten Chopin mit solchen klanglichen Gewalten umging und diese notierte.
So dramatisch ist das Des-Dur Nocturne des gleichen Opus nicht zu interpretieren, wenn auch hier klangliche Wallungen nicht ausgespart bleiben. Es weht schon eher der süße Duft einer milden Sommernacht im zarten Mondesglanze und die Intensität einiger Passagen dürfte wohl mehr als Ausdruck beglückender Freude zu verstehen sein. Jedoch bleibt es immer ein Bild verinnerlichter Betrachtung und wird nie zur gefälligen Äußerlichkeit.
Die Impromptus, wie die Bezeichnung schon besagt, sind Eingebungen des Augenblicks, wobei dies zumindest im Fis-Dur Impromptu op. 36 nur bedingt zutrifft. Die vielseitige Struktur und die Tragweite der musikalischen Gedanken deuten bis hin zur sogar balladesken Konzeption. Das auf einem Septimenakkord beruhende Cis-Dur-Thema nach dem nocturnenhaften Anfang und die gravitätisch, marschartige D-Dur-Episode sind Musik entrückender Faszination; in ihnen keimt die Entzückung musikalischen Zaubers und sie erheben das Impromptu zur Einzigartigkeit.
Improvisatorischen Charakters und somit der Bezeichnung des Stückes entsprechend, ist der «leggiero»-Teil; wie Girlanden winden sich die Läufe in ihrem Klang, um sich im Septimenmotiv in die Unendlichkeit zu verlieren. Die Rückkehr ins Zeitliche übernimmt ein plötzlicher fortissimo Schlussakkord.
Der Spielfreude des Impromptus entspricht das Ges-Dur Impromptu op. 51, ein im 12/8 Takt fließendes und mit Chopin'scher Eleganz beseeltes Musikstück. Allein der «sostenuto» überschriebene Mittelteil schlägt einen bedächtigeren Ton an, ohne aber den Schwung des Hauptteils gänzlich zu verlieren.