Robert Schumann

Werkbeschreibung von Marcus Bernard Hartmann


Drei Romanzen op. 28
Papillons op. 2

Die romantische Musiksprache findet in Robert Schumann ihren persönlichsten Vertreter, einem Komponisten, der bedingungslos den Menschen in den Mittelpunkt einer künstlerischen Arbeit setzte. Die meisten Werke Schumanns sind in ihrer Inspiration unmittelbar mit seiner Person zu verbinden, mit seinen Phantastereien, seinen Erfahrungen, seinen Leidenschaften, wie seiner Liebe.

Das folgende Brieffragment verdeutliche dies mit seinen eigenen Worten: «Mit einiger Scheu lege ich ihnen ein Paket älterer Kompositionen von mir bei. Sie werden, was unreif, unvollendet an ihnen ist, leicht entdecken. Es sind meist Widerspiegelungen meines wildbewegten früheren Lebens; Mensch und Musiker suchten sich immer gleichzeitig bei mir auszusprechen; es ist wohl auch noch jetzt so, wo ich mich freilich und auch meine Kunst mehr beherrschen gelernt habe. Wie viele Freuden und Leiden in diesem kleinen Häuflein Noten zusammen begraben liegen, ihr mitfühlendes Herz wird das herausfinden.»

Besonders in seinen Klavierwerken erkennt man den Wunsch Schumanns, das Menschsein dem musikalischen Thema zugrunde zu legen, wo die Gestaltung nicht aus der absoluten Musik, sondern aus der Notwendigkeit einer bestimmten, in ihrer Erscheinung konkreten Darstellung sich ergibt.


Ein Lieblingsstück Clara Schumanns war die Fis-Dur-Romanze, die mittlere der Drei Romanzen op. 28. Ein Zwiegespräch, ein Liebesduett im Terzengesang, fast ausschließlich von den beiden Daumen gespielt, ist das Merkmal dieses kleinen Meisterwerkes. Hier singt Schumann in innigsten Tönen, «Einfach», einfach liebend. Die erste b-moll Romanze wirkt da wie die Stimmung einer tobenden See, fast würde man sie als Romanze verkennen, doch eine gewisse Zusammengehörigkeit der drei Stücke lässt dieses erste als drängendes, sehnsüchtig Strebendes erscheinen, dessen Befriedigung sich erst in der Fis-Dur Romanze erreichen lässt. Beflügelt dann vom Glück der Liebe, die dritte Romanze. Frohlockend, ausschweifend, heiter taucht das Hauptthema rondòartig immer wieder auf, im Wechsel mit zwei Intermezzi, die wie Reminiszenzen, als gedankliche Rückblicke auf die zwei vorherigen Romanzen sich deuten ließen; ein weiteres Argument zur inneren Beziehung der Romanzen zueinander.


Eng verbunden mit der Entstehung der Papillons op. 2 ist die Verehrung Robert Schumanns für den Dichter Jean Paul, die den achtzehnjärigen Schumann in einem Brief schreiben lassen: «Jean Paul nimmt den ersten Platz bei mir ein: und ich stelle ihn über alle, selbst Schillern (Goethen versteh‘ ich noch nicht) nicht ausgenommen.»

Und so komponiert hernach der Zwanzigjährige sein op. 2, dem vorletzten Kapitel der «Flegeljahre» Jean Pauls, die dem «Larventanz» nachempfundenen «Papillons». Es sind kurze Musikstücke, die in ihrer Folge vage dem Fortgang des Larventanzes entsprechen. Im Gegensatz zu den «Kinderszenen», den «Waldszenen» und anderen Werken liegt Schumann der Gedanke einer Überschrift zu jedem einzelnen Stück fern, vielleicht weil sonst die «Papillons» eben dessen beraubt würden, was die Komposition und den phantastischen Maskenball Jean Pauls ausmacht, nämlich die Phantasie.

Vielmehr sei die Atmosphäre, dieser wunderliche Abend, das listige Spiel des Vult, der seinem Bruder Walt die Geliebte ausspannt, mit Zitaten aus dem Kapitel «Larventanz» beschrieben: «… Endlich geriet er, da er das hereinströmende Nebenzimmer prüfen wollte, in den wahren schallenden-brennenden Saal voll wallender Gestalten und Hüte im Zauberrauch hinaus. … Sogleich wurde er in den Tanzsturm geweht und half wehen, … so berührte er leise, wie Schmetterlingsflügel, wie Aurikeln-Puder, Winas Rücken und begab sich in die möglichste Entfernung, um ihr lebenatmendes Gesicht auszuschauen. … Nach dem Ende des deutschen Tanzes ersuchte er sie … gar um einen englischen, bloß damit er recht oft ihre Hand fassen und recht lange den Lippen und Augen gegenüberstehen könnte, … Sie sagte leise: «Ja.» Noch leiser hört' er seinen Namen; … es war Vult. … «Wenn du je Liebe für deinen Bruder getragen,» … «wenn du eine seiner flehentlichen Bitten erhören willst: so ziehe dich aus:» … Unter dem wechselseitigen Entpuppen und Verpuppen fiel Walt auf den Skrupel, ob er aber las Maskendame mit Wina, einer Dame, den versprochenen Englischen tanzen könne. … Da schossen auf Vults dürrem Gesicht lebendige Mienen auf. … Die Walzer bisher, nimm nicht die Nachricht übel, liefen als gute mimische Nachahmungen, … Aber dies ist nun alles so herrlich zu schlichten, als ich eben will. … Denn ich tanze in deiner Maske die Angloise. … Wina erstaunte, weil sie den Fuhrmann-Walt vor sich zu haben glaubte, dessen Stimme und Stimmung Vult wider Walt Voraussetzung hinter der Larve nachspielte, … Jetzt hatt' er alles, nämlich ihr Liebes-Ja für seinen Scheinmenschen oder Rollenwalt, und lachte den wahren aus, der als Rolle und als Wahrheit noch bloße Hoffnung sei und habe; Wina und Vult waren nicht mehr zu finden; nach langem Suchen und Hoffen musste er ohne Umtausch als Hoffnung nach Hause gehen. … Noch aus der Gasse herauf hörte Walt entzückt die entfliehenden Töne reden, …»